Wir alle durchleben aktuell eine von Krisen geprägte Zeit. Zwischen Pandemie und dem Krieg in der Ukraine sind wir zusätzlich Stress im Berufs- und Privatleben ausgesetzt. Unser Alltag wird zunehmend von einem beklemmenden Gefühl einer unsicheren Zukunft, diffusen Ängsten und täglich neuen Herausforderungen bestimmt. Durch die gesamtgesellschaftlichen Probleme in Kombination mit den Herausforderungen unseres Alltags kommt schnell eine Abwärtsspirale in Gang. Wir fühlen uns hilflos, werden immer „dünnhäutiger“, können Arbeitsstress weniger gut kompensieren und werden im schlimmsten Fall krank. Da andauernder emotionaler Stress zwangsläufig sogar mit chronischen Erkrankungen einhergeht, ist es wichtig möglichst schnell eine Exit-Strategie zu entwickeln.
Negative Gefühle erkennen und verstehen
„Negative“ Emotionen gelten viel zu häufig als „Störenfriede“ unseres Wohlbefindens. Dabei sind Gefühle wie Angst, Schmerz, Trauer und Wut nicht unsere Gegner, denn sie halten wichtige Informationen für uns bereit. Sie halten uns in Kontakt mit unseren Bedürfnissen, mit unseren Werten und Vorstellungen. Ohne „negative“ Emotionen wüssten wir nicht, was uns wichtig ist und was wir brauchen, um authentisch und gesund leben zu können.
Gefühle herunterzuspielen, mag einem kurzzeitig praktikabel erscheinen. Langfristig jedoch verlieren wir auf diese Weise den Kontakt zu unseren Überzeugungen und Bedürfnissen. Das Aufrechterhalten einer solchen „Maske“ kostet auf Dauer unheimlich viel Energie und entfernt uns von uns selbst.
Das andere Extrem besteht in dem Phänomen des „Vergrabens“ in negativen Gefühlen. Wenn wir uns von unseren schlechten Gefühlen davontragen lassen, geraten wir schnell in eine Abwärtsspirale. Häufig entwickeln Fantasien und Szenarien, die zu noch mehr Ängsten und Gefühlen führen.
Sowohl das Überspielen als auch, das sich vollständig von negativen Emotionen vereinnahmen lassen, ist Stress und kann uns auf Dauer psychisch und physisch schädigen.
Achtsamkeit nutzen
Für einen gesunden Umgang mit unliebsamen Gefühlen ist Achtsamkeit ein mächtiges Tool. Bei einem achtsamen Umgang mit Emotionen, nehmen wir unsere Gefühle wahr, ohne sie zu bewerten. Die Zuteilung in „positiv“ und „negativ“ verliert in der achtsamen Betrachtung seine Gültigkeit. Dafür ist es wichtig, die Gefühle, die zu uns kommen zu benennen, ohne sie zu bewerten und den Auslöser zu identifizieren. Dann spüren wir in uns hinein, ob der Auslöser tatsächlich real existiert, oder ein gedankliches Konstrukt ist. Ein solches Konstrukt kann beispielsweise aufgrund von ähnlichen Vorerfahrungen zustande kommen oder durch das Hören von Nachrichten, die aber zunächst keinen direkten Einfluss auf unser Leben haben.
Du kannst kritisch hinterfragen, ob die Intensität des Gefühls angemessen ist und wie Du konstruktiv etwas dafür tun kannst, um das Bedürfnis hinter Deinen Gefühlen zu stillen. An dieser Stelle kannst Du Deine negativen Emotionen sogar dazu nutzen, um ins Handeln zu kommen. Denn Gefühle steuern auch physische Prozesse in Deinem Körper, die Dich aktivieren, Dir Focus und Umsetzungskraft verleihen.
Emotionale Balance
Es ist das Verhältnis von „positiven“ und „negativen“ Gefühlen, das uns produktiv und gesund hält. Negative Emotionen bringen uns ins Handeln, setzen Kraft und Energie frei. Belohnt werden wir mit Glücksgefühlen, die Stresshormone abbauen, uns regenerieren lassen und uns so gesund halten.
Die Einteilung der Gefühle in „gut“ und „schlecht“ verhindert, dass wir das wichtige Zusammenwirken dieser Gegenspieler zulassen. Dadurch befördern wir uns, unter dem Druck, den wir uns mit unserer Gefühlswelt machen, selbst in einen Strudel von destruktiven Gedanken. Das Wahrnehmen der Realität ist daher ein guter Punkt zum Ausstieg aus dem Gedankenkarussell.
Mach Dir die aktuelle Situation bewusst und überlege Dir, was Du konkret tun kannst, um sie für Dich zu verbessern. Mit der Wahrnehmung der Realität treten immer auch viele positive Aspekte hervor, denen Du jetzt bewusst mehr Raum geben kannst.
Hilflosigkeit aktiv beenden
Wie Menschen mit Krisen umgehen, und wie belastet wir uns fühlen, ist sehr individuell. Gleich dagegen ist das Bedürfnis, sich stets wohlzufühlen. Eng gekoppelt an das Wohlbefinden ist das Gefühl von Sicherheit und eigener Kontrolle. Deshalb richten wir unseren Alltag auch gerne so ein, dass wir die Kontrolle behalten, wodurch wir unserem Bedürfnis nach wahrgenommener Sicherheit nachkommen.
Unvorhergesehene Situationen sorgen dafür, dass uns die Kontrolle entgleitet. Wir reagieren dann mit unangenehmen Gefühlen, wie Hilflosigkeit und Angst. Unter Umständen durchleben wir eine ganze Kaskade von Stressreaktionen, die uns langfristig unter einer destruktiven Gefühlsdecke zu begraben droht.
Um das zu verhindern, müssen wir uns die wahrgenommene Kontrolle zurückholen. Da wir häufig an der Umgebungssituation selbst nicht verändern können, liegt der Schlüssel zur Problembewältigung in der Bearbeitung eigener Baustellen. Unser Bedürfnis nach Kontrolle wird so auf Dinge innerhalb unseres Einflussbereichs fokussiert.
Wir können reflektieren, wie wir im Kleinen etwas Positives auf der Welt bewirken können. Von einem Lächeln, das wir anderen Menschen schenken, bis hin zur aktiven Hilfe, beispielsweise in der Flüchtlingshilfe. Jeder Mensch hat die Fähigkeit, seine Umgebung ein bisschen positiver zu gestalten. Der bewusste Einsatz für andere wird mit positiven Gefühlen und der Bewältigung von emotional belastenden Situationen belohnt.
Eine gesunde und disziplinierte Lebensweise gibt unserem Alltag Struktur und hilft uns dabei, unser Wohlbefinden bewusster wahrzunehmen und zu stärken. Schritt für Schritt können wir wohltuenden Emotionen so mehr Raum geben.
Fazit
Es gibt im Leben häufig Situationen, die wir durch unser Handeln leider nicht beenden oder nennenswert beeinflussen können. Dazu kommt aktuell die Corona-Pandemie und der Krieg in der Ukraine. Dennoch müssen wir nicht in diffusen Ängsten versinken. Durch einen bewussten Umgang mit den tatsächlich für uns relevanten Gegebenheiten wird unsere Handlungsfähigkeit im Alltag und unser Wohlbefinden aufrechterhalten.
Das achtsame Zulassen unangenehmer Emotionen bringt uns in Kontakt mit uns selbst und unseren Bedürfnissen. Wenn wir diese Gefühle gezielt zuordnen, ohne uns von ihnen erdrücken zu lassen, verleihen sie uns enorme Veränderungskraft. So können wir es schaffen in Krisen nicht nur selbst gesund zu bleiben, sondern auch einen positiven Beitrag für unsere Gesellschaft zu generieren, der unsere Welt – zumindest punktuell – ein bisschen besser macht.